Abgesehen von CTV wird keine Werbedisziplin derzeit so gehypt wie Retail Media. Das Leitmotiv "mehr mit weniger erreichen" trägt dazu bei, dass der Leistungsgedanke und der Wunsch nach höchstmöglicher Relevanz für Werbetreibende zunehmen. Retail Media soll genau hier ansetzen, doch die Meinungen, was dahintersteckt, gehen auseinander. Der neu entstandene Begriff “Commerce Media” verkompliziert die Lage zusätzlich.
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) ist im Frühsommer mit einer Definition auf den Markt gekommen, um Licht in das Dunkel dieses so gehypten Werbekanals samt Begrifflichkeit zu bringen. Genau genommen war es der Arbeitskreis Retail Media Circle (RMC), in dem sich im Dezember 2022 die Handelsunternehmen unter dem Dach des BVDW formiert haben. Mit dabei sind u.a. Obi First Media Group, Mediamarkt Saturn Services, Notebooksbilliger und Schwarz Media. Patricia Grundmann, Vice President Retail Media und Geschäftsführerin der Obi First Media Group, ist die Vorsitzende.
Zusätzlich gibt es seit Anfang dieses Jahres die Initiative Retail Media (IRM), in der sich Marktteilnehmende aus dem gesamten Retail-Media-Ökosystem organisiert haben. Hier ist u.a. Ingrid Hochwind, EMEA Product Lead Retail Media bei Google, Co-Leitende; weitere „Informationen in Kürze“ heißt es auf der Webseite.
Der Begriff “Retail Media” hat im Marketingbusiness an großer Bedeutung gewonnen und der BVDW fungiert hier als eine Art Hebamme in der Definition von Begrifflichkeiten. Er definiert Retail Media als “die einzigartige Möglichkeit, Marken und Produkte dort zu präsentieren, wo ihre Relevanz, Sichtbarkeit und Akzeptanz hoch, ihr Weg zum Kunden sehr kurz und ihr Kontext am natürlichsten sind”. Das bedeutet, dass Werbetreibende und Einzelhändler darauf abzielen, ihre kaufbereite Zielgruppe genau in dem Moment anzusprechen, in dem sie am empfänglichsten für die Botschaft sind. “Als Mediengattung ermöglicht Retail Media auf Basis einer datengetriebenen Historie eine Funnel-übergreifende Messbarkeit der Werbewirkung, und dies direkt im digitalen und physischen Ökosystem des Retailers – On- und Offsite”, heißt es weiter.
Unter der Leitung von Patricia Grundmann (Obi) hat der Arbeitskreis RMC, zu dem auch Torsten Ahlers (Mediamarkt Saturn), Martin Schwager (Notebooksbilliger) und Robert Jozic (Schwarz Gruppe) gehören, ein Chart entwickelt. Dieses Diagramm versucht, die verschiedenen Aspekte von Retail Media übersichtlich zusammenzufassen. Es zeigt vor allem die verschiedenen Einsatzbereiche und Produkte, die bei der Werbegattung eine Rolle spielen.
Verschiedene Blickwinkel auf die Definition
Corinna Hohenleitner, Criteo
Neben Retail Media hat sich Commerce Media als weiterer Begriff auf dem Feld etabliert, wobei beide eng miteinander verwoben sind. „Retail Media ist für Criteo eine der Komponenten eines größeren Ganzen, das wir unter dem Begriff Commerce Media zusammenfassen. Commerce Media ist ein neuer Ansatz für digitale Werbung, der Commerce-Daten und künstliche Intelligenz kombiniert, um Konsumenten entlang ihrer gesamten Customer Journey anzusprechen und Werbetreibende sowie Media Owner dabei zu unterstützen, Commerce-Ergebnisse (Sales, Umsatz, Leads) zu steigern“, sagt Corinna Hohenleitner, Director CEU, Activation bei Criteo und Vizepräsidentin des BVDW.
Die Aufgabe bestehe darin, „Konsumenten mit Marken zu verbinden, Zielgruppen mit Publishern zusammenzubringen und Brands mit Retailern zu vernetzen. Dieser Ansatz besitzt nicht nur im E-Commerce des Einzelhandels Relevanz, sondern er zeigt auch seine Wirksamkeit in sämtlichen anderen Bereichen des Online-Handels, darunter Reisen, Immobilien und Automotive. Er eignet sich praktisch für jede Branche, in der Commerce-Ergebnisse und -Signale effektiv verfolgt werden können. Damit lassen sich sowohl Online-Ergebnisse steigern als auch Besuche und Verkäufe im stationären Handel fördern“, ergänzt Hohenleitner.
Ekkehardt Schlottbohm, Pubmatic
Mit einer erweiterten Definition in puncto Retail Media steht Criteo nicht allein da, auch Pubmatic unterscheidet: „Retail Media zielt darauf ab, gezielte Werbung in Umgebungen kurz vor dem Kaufabschluss im Einzelhandel zu platzieren. Dies geschieht auf Online-Shops und großen Handelsplattformen wie Amazon, um Marken Sichtbarkeit zu verleihen, die sonst in der Vielzahl anderer Angebote untergehen würden” erklärt Ekkehardt Schlottbohm, Regional VP Northern Europe bei Pubmatic und Board of Directors IAB Europe. “Commerce Media geht über dieses Konzept hinaus, indem es nicht nur Einzelhändler, sondern auch ein breites Netzwerk von Publishern im offenen Internet einbezieht. So können Unternehmen aus verschiedenen Branchen Commerce-Daten und Künstliche Intelligenz nutzen, um ihre Zielgruppe effektiver bei Publishern und Einzelhändlern anzusprechen.”
Wie weit muss das Verständnis reichen?
Die unterschiedlichen Definitionen von Retail Media und Commerce Media können verwirren und die Frage aufwerfen, ob deren Beantwortung tatsächlich mehr Klarheit oder zusätzliche Komplexität bietet. Es existiert die berechtigte Haltung, dass die genaue Terminologie weniger wichtig ist als das Verständnis der spannenden Möglichkeiten, die diese Ansätze bieten. Ob es sich nun um Retail Media, Commerce Media oder einen anderen Begriff handelt – der Schlüssel liegt darin, die jeweiligen Werbeprodukte zu verstehen, die die Kundenreise am besten bedienen. Bei dieser Haltung kann man es belassen und würde damit auch nicht schlecht dastehen. Schließlich zählt allein das Ergebnis, oder?
Für einen Marketer oder Retailer, der allein im deutschen Raum operiert, mag das stimmig sein. Allein die enorme Bandbreite von Retail-Media-Angeboten stellt bereits eine Herausforderung dar. Ebenso ist die Customer Journey bei einem Autoverkauf eine andere als bei Büchern, Luxusmode, Kopfhörern, Küchen oder Reisen etc.
Warum die Definitionen doch wichtig sind
Vielfach wird bei der Definition des BVDW/RMC übersehen, dass sich diese allein auf die deutsche Werbe- und Retail-Landschaft bezieht. Dabei sollte es für internationale agierende Unternehmen jedoch nicht bleiben. Die Transformation der Werbelandschaft ist in vollem Gange und Begriffe wie Retail Media oder Commerce Media sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dieser Entwicklung. „In einer sich ständig weiterentwickelnden digitalen Welt, in der Verbraucher nahtlos zwischen Online- und Offline-Kanälen wechseln, wird die Integration von Retail Media und Commerce Media in die Gesamtstrategie entscheidend sein“, sagt Corinna Hohenleitner.
Damit besteht eben doch die Notwendigkeit einer international konsistenten Terminologie, um sicherzustellen, dass Unternehmen und Dienstleister auf globaler Ebene effektiv agieren können. Die Zusammenarbeit zwischen Werbetreibenden und Einzelhändlern wird zunehmend wichtig, um personalisierte und relevante Werbebotschaften bereitzustellen. Die Fähigkeit, Verbraucher auf ihren individuellen Reisen anzusprechen, kann den Unterschied zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Kampagnen ausmachen.
Aufgrund der Vielfalt sei ein einheitliches Modell für Commerce Media in Europa nicht möglich, heißt es in einem Anfang des Jahres veröffentlichten Studie von Pubmatic. Es gibt zwar allgemeine Trends, jedoch bestünden deutliche Unterschiede zwischen Märkten und Retailer-Typen. Ebenso existieren gravierende Unterschiede, was Know-how und technologisches Investment betrifft. Diese Vielfalt möge demotivierend wirken, stelle „aber im Vergleich zu homogeneren digitalen Werbeumfeldern eine bemerkenswerte Chance“ dar.
Ekkehardt Schlottbohm betont: „Markenvermarkter und Agenturen müssen eng mit Commerce-Media-Anbietern kooperieren, um klare Ziele für effektive Werbung festzulegen. Technologiepartner spielen eine wichtige Rolle, um Hindernisse für Werbetreibende und fragmentierte Commerce-Media-Unternehmen zu reduzieren und maßgeschneiderte Lösungen für Käufer und Verkäufer anzubieten.“
Kommt Zeit, kommt Standardisierung
Retail Media ist kein neues Konzept, jedoch erscheint es nun in einem neuen und sehr dynamischen Gewand. Mit Commerce Media wurde diese Disziplin erweitert und ein Dach geschaffen. Es bleibt abzuwarten, ob und wann es eine für den internationalen Markt allgemeingültige Definition gibt und welcher Begriff im internationalen Marketing-Kontext gebräuchlicher ist bzw. sich durchsetzt. Trennscharf sind die beiden derzeit nur bedingt.
Tech Finder Unternehmen im Artikel
- Criteo
- PubMatic
Author: Morgan Rivera
Last Updated: 1703267042
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